Um Nigeria machen viele, gerade auch Afrika-Kenner, einen großen Bogen. Andere suchen jede Gelegenheit, wieder dorthin zu fahren. Warum das so ist, davon lässt sich extrem schwer erzählen: man gerät sofort auf Abwege. Darum - und weil ich mich unbedingt zur zweiten Kategorie zähle - habe ich diesen Film gemacht.
Das westafrikanische Land ist groß und reich. Seine Bevölkerung zeichnet sich - sofern die Verallgemeinerung gestattet ist - durch enorme Wortgewandtheit, unternehmerische Kreativität und Angstfreiheit im Umgang mit dramatischen Stilmitteln im wirtschaftlichen Alltag aus. Eigenschaften, die im Deutschland dieser Tage wie zarte und seltene Pflänzchen schon fast unter IHK-Naturschutz stehen. Zudem lässt sich in Nigeria beobachten, dass Weißen/ Westlern zumeist mit einem Selbstbewusstsein begegnet wird, das die postkolonialen Barrieren, die in anderen Regionen Afrikas fast unüberwindlich scheinen, auf interessante Weise ignoriert, überspielt und ein schwungvolles miteinander arbeiten ermöglicht. Wobei ich – genau wie jeder Nigerianer – die dunkle Kehrseite dieser positiven Eigenschaften durchaus im Auge habe: Viele Investoren sagen zu Nigeria 'nein, niemals', noch bevor ein konkretes Angebot zur Kooperation auf dem Tisch liegt. Die "Laborsituation" des Films hat es ermöglicht, die immensen politischen Probleme von Korruption und Nepotismus in Nigeria probehalber beiseite zu schieben. Etwa um herauszufinden, wie und was deutsche Experten in Wirtschaft und Entwicklungspolitik von Nigerias ausgeprägtem Unternehmergeist lernen können.
DramaConsult ist die Fortsetzung und das Resultat einer Vielzahl von Projekten, die ich in Nigeria bzw. mit nigerianischen Partnern seit 2004 realisiert habe. Vor allem mein Film "Peace Mission" über die nigerianische Filmszene "Nollywood" und dessen noch andauernde internationale Auswertung sowie meine Arbeit in der African Movie Academy in Lagos haben mich für das neue Vorhaben maßgeblich inspiriert.
Schließlich doch noch eine Anekdote – wie es dazu kam:
Ich war in Filmangelegenheiten in Lagos unterwegs – eine kulturell motivierte Dienstreise, die frei von wirtschaftlichen Zwängen finanziert war. Viele Afrikaner verstehen eine solche Reise als Chance, die – nutzt man sie nicht nebenbei, um etwas Handel zu betreiben – nur Kopfschütteln und Unverständnis hervorruft. So auch der Fahrer, der mich begleitete. Er betreibt ein eigenes Taxiunternehmen mit guten Kontakten zum Container-Hafen, die er durch interessante Geschichten unter Beweis stellte. Er erzählte mir von einer attraktiven Marktlücke, auf die ihn einer seiner Bekannten im Hafen vor kurzem hingewiesen hatte. Schon beim gemeinsamen Mittagessen präsentierte er mir einen recht überzeugenden Businessplan – obwohl ich, die Besucherin aus dem fernen "Autoland", mutmaßlich erst am Beginn des Tages ob meiner Herkunft in ihm diese Idee hatte aufkeimen lassen. Er spürte meine Bewunderung und er griff die Gelegenheit beim Schopf: Während ich nachmittags in weiteren Kulturmeetings war, machte er diverse Anrufe. Und am Ende des Tages war ich kurz davor, mit dem Fahrer einen Deal über einen lukrativen Gabelstapler-Rent-out abzuschließen. Es klang alles sehr plausibel – und brauchte nur etwas Investorenmut, Zeit und ein gar nicht so hohes Startkapital...
Warum ausgerechnet Nigeria?
von Dorothee Wenner